ROLEX | INNOVATION

Licht und Schatten: 
Rolex meistert die Reflexe


Die Marke mit der Krone im Logo, man weiss es, ist innovativ. Überraschend ist nur, wie weit dies zuweilen geht – bis hin zur Beherrschung der Lichtreflexe bei Gehäuse und Band. Ein spezieller Bereich, der zu einem neuen Produktionsverfahren bei den Gehäusen geführt hat

Christian Kaufmann 

Der Retrofit, wie man die Nachrüstung heute nennt, ist fast abgeschlossen, und die Geschäftsleitung hat sich kürzlich entschieden, während des Studientages der Schweizerischen Gesellschaft für Chronometrie über das Thema zu kommunizieren. Emmanuel Henry, Leiter des Werkes in Plan-les-Ouates, wo Gehäuse und Armbänder der Gruppe gebaut werden, sowie Olivier Kuffer, Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung für die Armbanduhr, erläuterten im Detail die eingesetzten Mittel und deren Auswirkungen auf die Gesamtheit der Wertschöpfungskette.

In der heutigen Semantik steht die Innovation im Einklang mit der «Industrie 4.0». Ziel sei es, den Dialog zwischen Computer-Aided Design (CAD) und der eigentlichen Produktion zu stärken.

Auch ältere Kollektionen werden aktualisiert

Die vielleicht wichtigste Voraussetzung dafür ist die ­Fähigkeit, Innovation nahtlos in den Alltag überführen zu können und Kollektionen zu aktualisieren, ohne dabei ältere Modelle abzuwerten. In detailversessener Art hat Rolex solche Innovationen bereits auf viele Komponenten der Uhr übertragen: Werke, Kronen, Komplikationen, Zifferblätter, Gläser, Armbänder, Materialien usw. Auch das Gehäuse selbst profitierte von jahrzehntelangen Entwicklungen, die zwar mitunter substanziell sind, gleichzeitig auf den ersten Blick dennoch sehr diskret blieben – und zwar seit der Einführung des revolutionären Oyster-Gehäuses mit seinem verschraubten Boden und der legendären Dichtigkeit.

Das Projekt, das Rolex mit dem Thema Licht anging, setzt die vollständig integrierte Fertigung voraus. Wer die Brechung des Lichtes an den Flanken eines Gehäuses beeinflussen will, wer sich um die Führung von Lichtlinien und Reflexen kümmert, muss zwingend über einen hohen Grad der Vertikalisierung verfügen, und zwar von der Konstruktion über die Forschung und Entwicklung bis hin zur Produktion. 

Am Studientag der Schweizerischen Gesellschaft für Chronometrie erläuterten die zwei Rolex-Männer die Überlegungen, die ganz am Anfang standen: «Wir hatten festgestellt, dass die Lichtreflexe bei den letzten Modellen nicht genau den Wünschen unserer Designer entsprachen.» 

Das mag recht einfach klingen, als handle es sich um ein leicht lösbares Problem. Die Implementierung in die Praxis ist jedoch äusserst komplex, zumal es darum gehe, den kompletten Zyklus bis zur Vermarktung eines neuen Produkts zu überdenken. Es habe vier Jahre gedauert, um die ganze Tragweite des Themas zu verstehen, alle Feinheiten auszumachen und eine Methodik aufzugleisen.

in das Produkt gebrachte Sinnlichkeit

Heute sind die Lichtspiegelungs-Effekte in der gesamten Produktionskette integriert, auch wenn die Arbeit noch nicht vollständig abgeschlossen sei: «Es gibt keine Ziellinie, wenn es um Qualität geht», sagen die Rolex-Leute, Der nächste Schritt werde die Entwicklung noch subtilerer Parameter sein sowie das Verstehen der unbewussten Wirkung von Lichtreflexen eines Gehäuses auf die Menschen. Rolex sieht das als einen neuen Bereich von «in das Produkt gebrachter Sinnlichkeit», letztlich gehe es stets um diesen irgendwie wahrgenommenen Wert, den wir Emotion nennen.

Und damit sei man bei einer schwierig fassbaren Sache, wie etwa der Kunst. Und wie dort beginne alles mit dem Handwerk. Alle Schwierigkeit bestehe letztlich darin, die Welt des Designers mit der industriellen Logik zu verbinden und in ein Serienprodukt münden zu lassen. Der Designer arbeite als eine Art Bildhauer: Er stellt sich Flächen vor und schafft sie, die Kanten sind ein Ergebnis davon. Bislang dachte der Uhrenkonstrukteur beim Gehäuse genau umgekehrt: Für ihn standen die Kanten und Masse im Vordergrund, daraus resultierten dann die Oberflächen. Die Priorität, so Rolex, werde nun in ihrer natürlichen Ordnung wiederhergestellt: «Das, was am Ende zählt, ist die Oberfläche.» |


 

Aus Watch Around N° 31
September 2018

 
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INHALTSVERZEICHNIS:
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