PORSCHE DESIGN TIMEPIECES | FERTIGUNG

Das Rezept kommt aus dem Autobau


In Solothurn werden Uhren auf eine ganz eigene Art gebaut. Ein Blick in die Fertigung. Und in die Philosophie dahinter.

Pierre-André Schmitt

Frage: Was hat ein Sportwagen von Porsche mit einer Uhr gemeinsam? Antwort: Im Falle von Porsche Design Timepieces sehr viel. Auto und Uhr gehorchen den gleichen Produktionsabläufen – von der ersten Sitzung für ein geplantes neues Produkt bis zur Qualitätskontrolle. Vorgehen, Vorschriften und Warenfluss sind sozusagen identisch. 

An der Biberiststrasse 18 in Solothurn baut die Marke Porsche Design Timepieces seit 2014 ihre Uhren selber. Rund 20 Mitarbeiter arbeiten im Haus, und die Analogie zum Fahrzeugbau ist verblüffend.

Wer also verstehen will, was in Solothurn genau getan wird, tut gut daran, zuerst einen Blick in die Produktionsanlage von Porsche in Zuffenhausen zu werfen. Denn die Philosophie dahinter ist auch in Solothurn sozusagen Grundgesetz.

das Lager heisst «Supermarkt»

Das wichtigste Stichwort dazu heisst sequenzielle Fertigung und meint, dass die Autos auf dem Fliessband in einer zuvor festgelegten Reihenfolge gefertigt werden, so wie sie die Kunden bestellt haben. Man baut in Zuffenhausen also nicht zuerst alle roten Fahrzeuge mit blauen Sitzen und Linkslenker, dann die grünen Rechtslenker etc., sondern man baut am Fliessband die Autos hintereinander im richtigen Modellmix. Robotergesteuerte Wägelchen holen die benötigten Bauteile in der richtigen Reihenfolge aus dem Teilelager, das bei Porsche in Zuffenhausen übrigens «Supermarkt» heisst und selbstverständlich von den Zulieferern just in time beliefert wird.

«Supermarkt» heisst folgerichtig auch das Teilelager von Porsche Design Timepieces in Solothurn, hier holt sich statt des Roboters der Uhrmacher von Uhr zu Uhr die benötigten Komponenten. Und auch hier wird sequenziell gemäss Bestelleingang gefertigt – mal eine Globetimer UTC, dann vielleicht eine Uhr der 911 Turbo S Exclusive Series, dann ein 911-Speedster-Modell. 

Damit wird auch klar, dass der Uhrmacher nicht mehrere Uhren parallel in Arbeit hat. Statt am Fliessband baut er sie Stück für Stück nacheinander in seiner «Flowbox» zusammen, nachdem er im «Supermarkt» die nötigen Teile geholt und in eine Art Setzkasten gelegt hat, zum Beispiel die richtigen Zifferblatt-Komponenten. Es gibt sie für die 911 Turbo S Exclusive Series jeweils in den Lackfarben des Fahrzeugs. Die Rotoren für Automatikuhren wiederum kann der Kunde analog zu den Felgen bestellen, auch sonst variieren viele Teile je nach Modell und Wunsch der Kundschaft. «Kochrezept» nennen die Entwickler von Porsche Design Timepieces die drei A4-Seiten lange Stückteileliste für jeweils eine Uhr – das gleiche Wort benützen die Techniker in Zuffenhausen.

Kleiner Rückblick: Einst waren Porsche-Design-Uhren von IWC in Schaffhausen gebaut worden, später von Eterna. Als Porsche Design aus dem Eterna-Abenteuer ausstieg, war klar, dass man künftig die Produktion selber in die Hand nehmen wollte. Und zwar in der Schweiz: «Das Markenzeichen ‹Made in Switzerland› war für uns ein Muss», sagt Rolf Bergmann, Geschäftsführer von Porsche Design Timepieces. Und Solothurn als Standort war eine strategische Wahl. Die Verkehrslage, die verfügbaren Mitarbeiter und die Nähe von Zulieferfirmen im Jurabogen gaben den Ausschlag. Mit Zulieferfirmen, auch das wurde aus dem Automobilbau übernommen, wird nämlich bei jedem Projekt vom Start weg zusammengearbeitet – nicht erst, wenn man Komponenten braucht.

Das ist nicht immer ganz einfach. Für die neue Globetimer UTC setzt Porsche Design Timepieces auf das Sellita-SW-200-Basiskaliber mit einem dafür entwickelten Modul. Das gute Stück sollte, wie bei Porsche zum Beispiel für Autoschlüssel vorgeschrieben, aus einem Meter Höhe auf den Boden fallen können, ohne Schaden zu nehmen. Und entsprechende Härtetests bestehen. Doch in der technischen Umsetzung gestaltete sich dies anfangs recht schwierig – und es gab Aussagen, wonach Modulkonstruktionen keine Schocktests bestehen müssten. «Wir von Porsche Design bestehen aber darauf», antwortete Bergmann und handelte sich damit auch gleich eine Knacknuss ein.

Tatsächlich überstanden die ersten Prototypen die harten Tests nicht. Man musste nachbessern, die Module verstärken, stabilere Brücken einbauen und mehr Schrauben verwenden.

Alle an einem Tisch

Bei solchen Herausforderungen holt die Marke stets alle Beteiligten an einen Tisch, ebenso beim Startschuss für ein neues Projekt: Zulieferer, Designer, Konstrukteure, Controller. Und oft werden auch Kollegen aus dem Fahrzeugbau der Mutter hinzugezogen. Für die speziellen Wippen-Drücker der Monobloc Actuator zum Beispiel kamen vom Motorenbau aus dem Motorsport «entscheidende Tipps», wie Rolf Bergmann sagt. Ingenieure konnten dank Erfahrungen mit Schwenklager sowie Schlepphebel und Ventiltrieb wertvolle Hilfe bieten (siehe auch WATCH AROUND Nr. 25).

Dass sich Leute aus Technik, Montage, Marketing und Finanzen bei solchem Prozedere von Beginn an gegenseitig beeinflussen, ist gewollt und hat mit dem Entwicklungsprozess zu tun. Der wird bei Porsche mit dem Zauberwörtchen «PEP» abgekürzt, das als Kürzel für Produkt-Entstehungsprozess steht. Gemeint ist, dass ein Pflichtenheft formuliert wird, das von Anfang an alle künftigen Schritte definitiv regelt – und zwar gründlich. Es gibt eine Agenda mit neun terminierten Meilensteinen, auch «Quality-Gates» genannt, der Endpreis für das Produkt wird festgelegt, ein Konzept für Werbevideos aufgestellt, Produktvarianten bestimmt etc. Alles passiert parallel und gleichzeitig, Simultaneous Engineering nennt man das. Die Vorgehensweise will die Entwicklungszeit für ein neues Produkt verkürzen, vermeiden, dass später in der Produktion teure Korrekturen nötig werden, sowie ganz generell Entwicklung und Produktion besser aufeinander abstimmen.

Keine Eingangskontrolle

Der ganze PEP dauert bei Porsche Design Timepieces 36 Monate. «Die Prozessverantwortlichen aus dem Automobilbereich haben uns am Anfang sehr unterstützt», sagt Rolf Bergmann.

Wie bei den Fahrzeugkollegen in Zuf­fenhausen gibt es aus diesem Grund zum Beispiel normalerweise keine Eingangskontrolle für Komponenten, die von Zulieferern in den «Supermarkt» kommen. Es wäre ein überflüssiger Aufwand, findet man bei Porsche, die Kontrolle ist den Zulieferern übertragen worden. Allerdings wurden alle Details vorher klar geregelt, der Lieferant hat alle nötigen Informationen und Auflagen, und die Qualitätsingenieure sind regelmässig vor Ort – man will nichts dem Zufall überlassen.

«Das Prinzip Hoffnung ist ein schlechtes Prinzip», kommentiert Rolf Bergmann. Und das klingt generell ein bisschen wie die Zusammenfassung für die Produktionsweise in Solothurn. |


 

Aus Watch Around N° 41
Sept./okt. 2019

 

INHALTSVERZEICHNIS:
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