WERENBACH | UHREN AUS RAKETENSCHROTT

Vom Himmel hoch, da komm ich her


Es war ein wilder Ritt, bis aus einem verrückten Traum echte Uhren wurden. Doch heute hat der Zürcher Unternehmer Patrick Hohmann vier Kollektionen im Angebot. Aus Raketenschrott gebaut.

Pierre-André Schmitt

Die Idee war nicht ganz von dieser Welt. Eines Morgens beim Joggen am Zürcher Werenbach blitzte sie in seinem Kopf auf. Und liess ihm keine Ruhe mehr: Es müsste doch möglich sein, so dachte sich Patrick Hohmann, aus einer Rakete eine Uhr zu bauen. 

Zu präzisieren wäre, dass Hohmann an Raketenschrott dachte, an Uhren also, die aus Raketenteilen gebaut werden, welche nach Gebrauch wieder auf die Erde zurückgefallen sind. Entsprechend lautet einer seiner Werbesprüche: «Spaceborn».

Acht Jahre später hat Patrick Hohmann eine eigene Uhrenmarke, ein Atelier mit Geschäft in Zürich und vier Uhrenkollektionen. Die Marke, dies nebenbei, heisst Werenbach und erinnert an den Tag im Jahr 2010, an dem beim Joggen die Idee aufblitzte. Was der Start zu einer langen Reise mit vielen Rückschlägen war.

Nachzulesen ist das ganze Abenteuer im stark autobiografischen Roman «Werenbachs Uhr». Er nimmt den Leser auf verschlungenen Wegen mit bis in den hintersten Krachen beim kasachischen Kosmodrom Baikonur, wo Patrick Hohmann endlich seinen Weltraumschrott fand und per Lastwagen in die Schweiz bringen konnte. Auch das ein kompliziertes Unterfangen. Denn nötig war für die Einfuhr natürlich ein Ursprungszertifikat. Was bei russischem Schrott aus Sojus-Teilen, gefunden in der kasachischen Steppe, nicht ganz einfach zu bewerkstelligen ist.



Ursprünglich hatte Hohmann nicht zuletzt deswegen an Weltraumschrott aus den USA gedacht. Doch Briefe und Anrufe an die US-Weltraumorganisation NASA liefen ins Leere – nach zwei Jahren musste er das Unterfangen realistischerweise entnervt als gescheitert betrachten und nach alternativen Wegen suchen.

Nichts Neues für Hohmann. Für sein Vorhaben hatte er den Job als Markenverantwortlicher eines grossen Betriebes an den Nagel gehängt, der sich als Start zu einer vielversprechenden Karriere angelassen hatte. «Die Arbeit gefiel mir zwar, aber ganz glücklich war ich nicht damit», sagt Hohmann. «Etwas hatte mir gefehlt: das Anpacken.»


» Ich hatte schon immer den Hang zu unmöglichen Projekten.

– Patrick Hohmann, Gründer Werenbach


Anpacken durfte er dann in der Tat genug. Zum Beispiel, als sein Kontaktmann in Kasachstan, ein Schrotthändler mit der Lizenz zum Sammeln von Raketenwracks, plötzlich nicht mehr auffindbar war – «und nicht mehr wissen wollte, wer wir sind». Auf einer ersten Reise hatte ihn Hohmann getroffen, man hatte die Ware zusammen begutachtet, und man war sich handelseinig geworden. Doch als es ums Liefern ging, blieben alle Schreiben plötzlich ohne Antwort. Und die Telefonleitungen tot.

Der frustrierte Hohmann griff in die Tasten, um sich Luft zu verschaffen. Und begann, seinen Roman über die Geschichte zu schreiben. Dann beschloss er, nicht zu resignieren, sondern nochmals nach Kasachstan zu fahren – «mit einem dicken Bündel Geld». 

Zwei Minuten nach dem Start sprengen Sojus-Raketen über den Steppen Kasachstans jeweils ihre Booster ab, die dann aus 45 Kilometern Höhe zum Boden hinuntersegeln. Raketenspitzen, die auch verarbeitet werden, fallen gar aus 85 Kilometern auf den Erdboden zurück. Russische Offizielle sind als Erste zur Stelle und bauen die sensitiven Teile aus. Dann kommt der kasachische Schrotthändler zum Zug. 2013, nach einer klapprigen Fahrt, war Patrick Hohmann endlich auch dabei, stieg auf die verbeulte Raketenhülle und nahm mit der Flexscheibe erste Materialproben – dann wurde zur Feier eine Flasche Wodka verdunstet.

Zur langen Liste von Rückschlägen gehörte der Karbonanteil im Metall. 0,4 Prozent betrug er, was für Uhrengehäuse zu viel wäre: Sie würden unweigerlich rosten. In einem metallurgischen Prozess wird der Anteil auf Stahl mit 0,2 Prozent Anteil reduziert – «wir haben», frohlockt Hohmann, «mithin unsere eigene Legierung».

Und sie haben Erfolg damit. Jedenfalls standen Kunden im November 2017 vor dem Laden an der Stauffacherstrasse 178 Schlange, um eine Werenbach zu erhalten, ein Stück Raumschiff am Handgelenk, wie die «Neue Zürcher Zeitung» notierte.

Erfolgreich hatte sich vor allem eine erste Kickstarter-Kampagne angelassen: 740’000 Franken wurden eingesammelt, das war Schweizer Rekord. Eine zweite Kampagne war ernüchternder, sie brachte 230’000 Franken. 

Wer eine Werenbach will, ist bei der Quarzkollektion Mach 33 ab 360 Franken dabei. Dafür gibts ein Raketenplättli auf dem Zifferblatt bei 6 Uhr und die Möglichkeit, via Handy in Echtzeit die Aussicht der Astronauten aus der Internationalen Raumstation ISS mitzuverfolgen. Diese Uhren werden in Hongkong gefertigt – «made on Earth», steht auf der Uhr.

Mit Brandspuren

Zifferblätter aus original belassener Aussenhaut der Raketen, zum Teil mit echten Hitzespuren, gibts bei der Kollektion Leonov, die in der Schweiz gebaut wird. Auf der Homepage von Werenbach kann man genau eruieren, wo an der Rakete sich das verarbeitete Material ursprünglich befand. Bei der anspruchsvolleren Modellfamilie Soyuz sind Gehäuse und Zifferblatt aus Raketenmaterial gefertigt. Als Werk dient beim Chronographen ein Valjoux 7750, beim Automaten ein ETA 2892-A2. Schliesslich gibt es auch noch BTO-Editionen, bei denen man dank Internetkonfigurator ein Raketenhaut-Zifferblatt selber auswählen kann – Brandspuren inklusive. 

Die Uhren werden vorab online vermarktet, doch Patrick Hohmann verkauft sie auch in seinem Zürcher Laden. Hier sind allerlei Sojus-Devotionalien zu sehen, eine veritable Raumschifftür zum Beispiel. Und hier schweift der Blick des Patrons nochmals über seine Kollektion, bevor er in einem Satz Bilanz über sein Abenteuer zieht: «Ich hatte», so sagt er, «schon immer den Hang zu unmöglichen Projekten.» |


 

Aus Watch Around N° 35
Januar/Februar 2019

 
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