NICOLAS BARETZKI, CEO VON MONTBLANC | INTERVIEW 

» Online funktionieren vor allem Ikonen


Der Chef von Montblanc räumt mit der Vostellung auf, im E-Commerce hätten nur Uhren der günstigsten Segmente eine gute Chance. Gefragt seien, so präzisiert er im Gespräch, unabhängig vom Preis, vor allem die wohlbekannten «Hero-Produkte». 



Interview: Pierre-André Schmitt

Herr Baretzki, was kostet die günstigste Uhr bei Montblanc?

Bei Montblanc beginnen wir im Einsteiger­segment bei rund 2000 Franken. Wir haben drei verschiedene Preisbereiche: Von 2000 bis 5000 Franken bieten wir Uhren mit Industriekaliber und kleineren Komplikationen an. Zwischen 5000 und 25’000 Franken gibt es dann Manufakturkaliber mit schönen Komplikationen, die Geosphere für 5200 Franken zum Beispiel. Und über 25’000 Franken ­haben wir die Uhren mit Spitzenwerken unserer Manufaktur Minerva in Villeret. 

Was kostet da das teuerste Modell? 

Wir haben bei Minerva Stücke mit unglaub­lichen technischen Spitzenleistungen, das geht bis zu 280’000 Franken. 

Uhren von 2000 bis zu 280’000 Franken – das ist ein sehr breites Portfolio. 

Klar. Aber man muss auch etwas relativieren. Das allermeiste spielt im Bereich von 2000 bis 100’000 Franken. Darüber sind wir sozusagen in der Formel-1-Liga mit winzigsten Stückzahlen und ganz komplexen Entwicklungen von Minerva, Einzelstücken sozusagen. 

Mit anderen Worten: Sie müssen sowohl das Volumengeschäft wie auch das Top-High-End unter einen Hut bringen. Wie macht man das?

Es entspricht dem Geist der Maison. Wir wollen in allen Segmenten aktiv sein und alle Segmente mit unserer Expertise bestens besetzen. Bei den Schreibinstrumenten zum Beispiel beginnt das Angebot bei 200 Franken, beim Meisterstück geht es bis etwa 400 Franken, und dann haben wir limitierte Serien, die in speziellen Abteilungen gemacht werden. Dort kann ein Stück 50’000, 100’000 oder gar zwei oder drei Millionen Franken kosten. Wir wollen in einer sehr breiten Palette jeweils sehr tief gehen und kohärent agieren. 


» Heute sind wir mit E-Commerce in Europa, den USA, Indien, Mexiko, Japan, China etc. präsent. Und ich sehe den Impact, den das im Gegenzug auf unsere Boutiquen hat. Je mehr wir online unternehmen, desto grösser ist auch die Lust der Kunden, unsere Boutiquen aufzusuchen.
Nicolas Baretzki, CEO Montblanc


Wie schafft man diese Kohärenz? Wie passt zum Beispiel eine Füllfeder für drei Millionen Franken zu einer Uhr für 2000 Franken?

Wir denken gar nicht so. Bei Montblanc ist die Politik ganz einfach: Jedes Segment, in dem wir aktiv sind, wollen wir als Top-Experte besetzen. Wenn wir Uhren bauen, denken und handeln wir von frühmorgens bis spätabends wie ein Uhrmacher. Da haben wir Entwicklungsgruppen, Designteams, Kommunikationsexperten etc., die ausschliesslich mit Uhren zu tun haben. Wir funktionieren in einer reinen Uhrmacherlogik. Analog ist es in den anderen Bereichen. Und immer haben wir auch die Preispolitik im Kopf und fragen uns, wie wir jeweils das Beste zum besten Preis anbieten können. Egal, ob es um einen Chrono Monopoussoir mit eigener Spirale geht oder ein einfacheres Modell, wir wollen stets die beste Preispositionierung im Markt.

Geht die Rechnung auf? Anders gefragt: Wie lief bisher das Jahr 2018? 

Es war ein reiches und intensives Jahr für uns, mit vielen Events und Produktlancierungen. Und es war sehr erfolgreich; 2018 ist bisher sehr gut gelaufen.

Generell hat die Schweizer Uhrenindustrie zehn Prozent mehr exportiert. Halten Sie mit?

Wir kommunizieren sehr ungern Zahlen, und ich kann Ihre Frage nicht direkt beantworten. Ich kann hingegen sagen, dass Montblanc immer das Ziel hat, die Durch­schnittszahlen einer Branche zu übertreffen.

Und dieses Ziel erreichen Sie?

Sagen wir es mal so: Wenn ich die Zahlen anschaue, bin ich höchst zufrieden.

«Expand the clients reach», haben Sie intern als Maxime herausgegeben. Wie wollen Sie den Endkunden besser erreichen?

Montblanc war schon immer bestrebt, den Kunden wirklich global zu erreichen. Vor 20 Jahren gehörten wir zu den allerersten Marken, die entschieden in die Märkte Indien und Brasilien gingen. Wir gehören als Folge dort heute in Bezug auf die Wahrnehmung zu den ersten Luxusmarken überhaupt. Und wir hängen nicht nur von ein paar wenigen Ländermärkten ab, wir sind im Gegenteil in 15 bis 20 Nationen aktiv. Die Frage, die sich stellt, ist, wie man in Märkten wie Indien, Brasilien oder China wirklich bis zum Endkunden gelangt. Im riesigen Indien ist es zum Beispiel wichtig, nicht nur in Delhi oder Mumbai aktiv zu sein. Der Kunde will ja nicht unbedingt 500 Kilometer fahren, um eine Brieftasche oder eine Uhr zu kaufen.

Es geht also mehr um reale Boutiquen als um eine Onlinestrategie?

Nein, es geht um beides. In China sind wir zum Beispiel in 68 Städten präsent. Da können nicht sehr viele Luxusmarken mithalten. Aber Online ist komplementär, wir brauchen beides, die Kunden wollen beide Kanäle. Dieses Jahr haben wir zum Beispiel den E-Commerce in Indien gestartet. 

Sie haben schon vor sechs Jahren mit E-Commerce in den USA begonnen. Wie sind da die Erfahrungen, funktioniert das wirklich für alle Preissegmente? 

Das Preisschild ist weniger entscheidend, es geht mehr um die Ikonen. Je bekannter und gesuchter ein Produkt ist, desto eher wird es auch online gekauft. Das funktioniert, wenn sie emblematisch sind, durchaus auch für teurere Produkte. Aber natürlich werden bei uns online auch oft Geschenke gekauft, da geht es dann eher um die tieferen Preislagen. 

Mit anderen Worten: Sie müssen die Ikonen forcieren?

Absolut. Das ist sehr wichtig. Wir sind in vielen Segmenten tätig, mit Lederwaren, Uhren, Schreibinstrumenten, Parfum, Reiseartikeln etc. Da ist es wichtig, dass man überall auch «Hero-Produkte» hat, die sozusagen als Türöffner funktionieren und die Marke repräsentieren.

Der E-Commerce wird weiterhin verstärkt?

Heute sind wir mit E-Commerce in Europa, den USA, Indien, Mexiko, Japan, China etc. präsent. Und ich sehe den Impact, den das im Gegenzug auf unsere Boutiquen hat. Je mehr wir online unternehmen, desto grösser ist auch die Lust der Kunden, unsere Boutiquen aufzusuchen. 

Montblanc hat weltweit 275 Boutiquen. Wird das weiter ausgebaut oder im Gegenteil eher reduziert?

Ich denke, dass das Netz stimmt und die geografische Abdeckung sehr gut ist. Seit einigen Jahren sind wir eher bestrebt, das Netz zu verbessern, als es zu vergrössern. Wir schliessen da mal eine Boutique, eröffnen dort eine neue, aber wir sind eher auf Stabilität bedacht. In der Schweiz haben wir im Mai die Zürcher Boutique gemäss unserem neuen Konzept umgebaut und neu eröffnet, eben auch jene in Genf. 

Wie sieht es mit Certified Pre-Owned (CPO) aus, dem viel diskutierten Markt für gebrauchte Uhren? 

Das ist ein sehr interessantes Thema für Montblanc im Bereich der Schreibinstrumente. Wir haben eine 112-jährige Geschichte, mit historischen Stücken. Und eine etwas jüngere mit limitierten Serien. Wenn man in seinem Bereich eine Art Institution ist – und das sind wir mit unserem starken und weiterhin steigenden Marktanteil –, dann ist man verpflichtet, sein Wissen und seine Expertise Sammlern und Interessenten zur Verfügung zu stellen.

Und für die Uhrmacherei? 

Da bin ich nicht sicher, ob es für Montblanc wirklich die oberste Priorität sein muss. Auch wenn wir die wunderschöne Minerva-­Manufaktur mit ihrer 160-jährigen Geschichte besitzen, sind wir doch noch nicht wirklich lange in diesem Markt tätig. Ich würde da den Schwerpunkt eher auf die Entwicklung und Innovation setzen. Aber in Zukunft kann CPO durchaus auch eine Notwendigkeit werden. 

Sie reden viel von der Minerva-Manufaktur. Auf den Zifferblättern steht der Name indes nie. Warum eigentlich nicht?

Minerva ist komplett integriert und sozusagen als Leitmotiv in der Entwicklung aller Montblanc-Produkte präsent. Wir inspirieren uns von der Expertise von Minerva und von der Geschichte der Manufaktur. Aber wir schaffen heute Montblanc-­Produkte. Wir wollen in allen Segmenten von Montblanc-Uhren ein Expertiseniveau anbieten, das sich von Minerva ableiten lässt, egal, ob wir ein Industriewerk von Sellita einbauen oder ein eigenes Manufakturwerk. Am Ende des Tages kauft der Kunde dann eine Montblanc-Uhr, sonst verwirrt man ihn nur. Er kauft Montblanc, und Montblanc ist eine Summe aus Design-Codes, Werken etc.

Eher sportlich-professionell oder klassisch-elegant?

Das hängt ganz vom Stil des Käufers ab. Wir mögen eine klassische Marke sein, wir haben aber auch sehr innovative, mitunter kühne Angebote. Man wird bei Montblanc beide Segmente finden – möglichst jeweils mit dem besten Preis-Qualitäts-Verhältnis. Bei den Uhren stehen wir für feine Uhrmacherei mit Charakter und einer starken Ästhetik. Wenn ich die Reihe 1858 ansehe, etwa die Geosphere, dann würde ich behaupten, dass sie sehr gelungen und der Preis dafür extrem interessant ist. Ich denke, das kann sogar Sammler überzeugen, die sonst eher auf Klassisches aus sind. |


 

Aus Watch Around N° 33
November 2018

 
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