IKEPOD | WIEDERBELEBUNG 

» Die Musik spielt heute im Bereich von 500 bis 1000 Euro


Die Kultmarke der 1990er-Jahre soll wieder aufleben. Dank eines radikalen Bruchs mit der Vergangenheit. Der neue Besitzer macht aus dem einstigen Luxus-Label eine Marke im Einsteigersegment. Statt feiner Mechanik gibt es Quarz. Und viel Design.

Christian Kaufmann

Die Marke Ikepod ist zurück – als Gesprächsthema jedenfalls. Da war kürzlich die Eröffnung einer neuen Website, und da gab es Auftritte in spezialisierten Blogs. Mit anderen Worten: Die legendäre Marke, die Mitte der 1990er Jahre von Designer Marc Newson und dem Geschäftsmann Oliver Ike kreiert wurde, steht kurz vor ihrer x-ten Erholung. 

Neuer Besitzer ist Christian-Louis Col. Und irgendwo zwischen «Fluch der Mumie» und «Erwachen des Phönix aus der Asche» hat er seine eigene literarische Referenz gefunden: in «Replay», dem fantastischen Roman von Ken Grimwood, in dem der Protagonist Jeff Winston als 43-Jähriger stirbt und als 25-jähriger wieder zum Leben erwacht. Und diese Zeitschleife nie wieder verlassen kann. 

«Ich habe Ikepod immer gemocht», sagt Christian-Louis Col. «Ich bin 50 Jahre alt, habe meinen Job verloren, und da ich keinen einfachen Charakter habe, habe ich auch keinen mehr gefunden.» Die Selbständigkeit drängte sich auf, Ikepod stand zum Verkauf – der Rest habe sich ganz logisch ergeben.


» Es geht hier um ein Designprodukt.
Nicht um Uhrmacherei.
Christian-Louis Col, CEO von Ikepod


Als Vielreisender meint er, dass ohnehin nur der Weg zähle: «Ikepod ist ein unternehmerisches Abenteuer. Es wird funktionieren oder auch nicht. Das Wichtigste ist, das Projekt jetzt zum Leben zu erwecken.»

Das Abenteuer markiert einen echten Bruch im Leben von Christian-Louis Col, dessen Karriere bisher etwas von Jeff Wins­ton in «Replay» hatte. Der in Paris ausgebildete Manager war während Jahrzehnten in der Luxusbranche tätig. Er hat sich um alles gekümmert: um Perlen bei Golay-Buchel, um High-End-Schuhe bei Charles Jourdan, um Kristall bei Lalique, um Uhren bei der Richemont-Gruppe. Und er hat aus seinen Erfahrungen eine kuriose Lehre gezogen: Zu gut zu sein, sei ein Handicap. «Jedes Mal, wenn ich auf über 15 Prozent Wachstum kam, wurde ich gefeuert.»

Bei Ikepod ist die Herausforderung anderer Natur. Die Marke ist sozusagen nicht existent. Sie hat etwas von diesen malerischen Fetischen der Fruchtbarkeit: Sie wurde verehrt, mancher hat versucht, mit ihr einen Pflock für sich einzuschlagen, man hat für sie allerlei Opfer gebracht – aber das Pflänzchen wollte nie richtig gedeihen, obwohl es von seinen Fans verherrlicht wurde.

Die Zuverlässigkeit war so so lala

Zu gross waren die Probleme, vorab die technischen: Das Gehäuse konnte nur mit Spezialwerkzeug geöffnet werden, die Zuverlässigkeit war bestenfalls so so lala, die uhrmacherischen Komplikationen waren anarchisch, die Preispositionierung problematisch.

Die Marke Ikepod, im ersten Jahrzehnt ihrer Existenz von einem heisshungrigen Markt halbwegs getragen, steckte im zweiten ständig zwischen Konkurs- und Notariatsbüros. Mal hing sie am Tropf, mal wurde sie neu lanciert, dann lag sie im künstlichen Koma. Am 24. April 2017 küsste Christian-Louis Col die Schöne und erwarb sie mit ihrer gesamten Mitgift: einer Menge Ersatzteilen, vielen fertigen Uhren, einem ganzen Vorrat von Original-Armbändern und den Rechten an einigen originellen Designs.

Das Gehäuse als Star

Christian-Louis Col konzentriert sich in einer ersten Phase ganz auf das Gehäuse, den «Pode», eine Art übergrosses M&M-Bonbon, das einer ganzen Uhrenfamilie ein Gesicht gegeben hatte: Hemipode, Megapode, Isopode. Ursprünglich war es ein Monocoque-Gehäuse aus einem Stück, Col hat es vereinfacht, es hat jetzt auch einen Gehäuseboden. Für neue Gesichter sorgt der Designer Emmanuel Gueit.

Nächste Etappe wird ein Crowdfunding auf Kickstarter sein. Die ersten Uhren sollen im nächsten Januar oder Februar ausgeliefert werden können. Am erstaunlichsten ist der preisliche Positionierungswechsel – er ist radikal. Die einstige Luxusmarke taucht ins Einsteigersegment: Weniger als 500 Euro soll eine Dreizeigeruhr kosten, weniger als 600 Euro ein Chronograph. Das schont den Geldbeutel, erheischt aber harte Schnitte, die manchen schockieren dürften: Ikepod greift auf asiatische Quarzwerke zurück und produziert ganz allgemein in Asien. Der Firmensitz liegt dennoch in der Schweiz, Christian-Louis Col lebt in Frankreich.

Hinter der Strategie steckt eine Überzeugung: «Im Bereich 500 bis 1000 Euro spielt heute die Musik», sagt der Unternehmer. Und wie eine Segnung kam ihm deshalb der Entscheid der Richemont-Gruppe vor, mit der neu lancierten Marke Baume auf just dieses Segment und auf asiatische Werke zu setzen (siehe WATCH AROUND Nr. 28): «Sie machen die Bahn frei», sagt er. Dennoch weiss er ganz genau, dass Fragezeichen durchaus angebracht sind.

Für den neuen Besitzer ist es der ultimative Test: «Ich will die Marke zugänglich machen. Und ich will mit ihrer Geschichte brechen.» Uhren mit mechanischen Werken schliesst er zwar für die Zukunft nicht aus, es werde aber gut überlegt sein müssen.

Innovativ in diesem Bereich zu sein, ist offensichtlich ein heikles Thema für den neuen Besitzer, der sich bislang mit keiner industriellen Standardlösung anfreunden konnte. Eine Partnerschaft in diese Richtung wurde angedacht, Prototypen wurden erstellt, aber bisher wurde nichts erreicht. 

Design statt Uhrmacherei

Das konkrete Ziel der ersten Finanzierungsrunde ist noch nicht fixiert, aber ein Ergebnis unter 300’000 Euro würde als Niederlage wahrgenommen. Und vom Erfolg dieser Etappe hängt die weitere Zukunft ab: neue Kickstarter-Aktionen vielleicht oder auch die Hinwendung zur traditionellen Distribution.

Aber es könne auch anders kommen, mit einer ganz anderen Distribution zum Beispiel. Die einzige Sache, die für Christian-Louis Col als gesichert gilt, ist, dass die Marke nicht dort war, wo sie eigentlich hingehört: «Es geht hier um ein Designprodukt», sagt er voller Überzeugung, «nicht um Uhrmacherei.» Wichtige Lehren hat er übrigens aus seiner Kindheit gezogen: «Als Bub war ich ein Swatch-Hunter. Und ich habe mit dem Handeln dieser Uhren mehr gelernt als in allen Jahren bei grossen Konzernen.» Es habe spannende Momente gegeben, «aber das grosse Geschenk ist, dass ich Ikepod kaufen konnte». |


 

Aus Watch Around N° 29
Juni 2018

 
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INHALTSVERZEICHNIS:
Pascal Raffy, Bovet | Florian Schlumpf | Made in France | Interview Christoph Grainger-Herr, IWC | Museum Beyer | Christian-Louis Col, Ikepod | Dubois Dépraz | Die Rolex-Daytona-Euphorie | Svend Andersen